Kirchheim Sein literarisches Werk macht William Shakespeare (* April 1564 in Stratfort upon Avon; + April 1616 in London) unsterblich. Kein Werk eines anderen Dichters hat zu einer vergleichbaren Fülle von Kompositionen angeregt wie seine Komödien und Tragödien, die zu den bedeutendsten Bühnenstücken der Weltliteratur gehören und die bis heute aufgeführt und verfilmt werden. Das Spektakuläre in ihnen, die kaum gebändigten Emotionen, die gefühlvoll heitere, melancholische Intimität, das musikalische Potential seiner Sonette faszinierte schon zu Lebzeiten des Dichters und diese Faszination gilt bis heute.
Diese Faszination hat auch Stefan Wolitz und seine Schwäbische Chorakademie gepackt und so machten sie sich auf, den musikalischen Spuren in der Vokalmusik zu folgen, die durch Shakespeares Texte in drei Jahrhunderten Musikgeschichte angeregt wurden. In nur zwei Arbeitsphasen erarbeiteten sich die jungen Sängerinnen und Sänger mit ihrem Chorleiter Wolitz, seinem Stimmbildnerteam und dem Pianisten Manfred Eggensberger ein umfangreiches, packendes Programm mit a-capella Sätzen in wechselnden Besetzungen und klavierbegleiteten Solobeiträgen. Entstanden ist so ein hinreißend kurzweiliges und interessantes Chorkonzert auf höchstem Niveau, das vom Publikum mit Beifallstürmen gewürdigt wurde. Schön auch, dass durch kurze, humorvolle Erläuterungen durch die jungen Sängerinnen und Sänger die Zuhörer leichten Zugang zu den Komponisten und deren Shakespeare-Vertonungen finden konnten.
Gegenüber der Liedkomposition zu Shakespeare in England, die im 18. Jahrhundert ihre Blütezeit hatte, entwickelte sich im 19. und 20. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum eine eigene Tradition. Waren in England Shakespearelieder meist im Hinblick auf die Theatersituation komponiert, so entstand das deutsche romantische Shakespeare-Lied -losgelöst von den Dramen - unmittelbar aus der Wirkung der Gedichte. Dieser Tradition folgen die Komponisten noch heute und folglich ordneten die Programmgestalter ihre Liedbeiträge nach den Themen Liebe und Liebesleid, Tod und mystisch Märchenhaftes. Das Programm gewann dadurch an Farbe, weil sich Stilrichtungen, Besetzungen, Epochen ebenso mischten wie die Liedbeiträge aus den Dramen Shakespeares (Cymbeline, Hamlet, Othello, Macbeth, Sommernachtstraum), durchsetzt von Liedern mit Texten aus den Shakespeare-Sonetten. So erklangen aus dem deutschen Sprachraum Schuberts Ständchen aus dem „Cymbeline“ für Männerchor, Felix Mendelssohn-Bartholdys begeisternd gebotenes „Lied mit Chor“ aus dem Sommernachtstraum (Solistinnen: Mona Sonntag und Anna-Lena Gerbl), von Erich Wolfgang Korngold „When Birds Do Sing“ (Solistin: Solitaire Bachhuber) und Desdemona’s Song (Solistin: Lena Zeizel) aus Othello und aus Macbeth die Hexen „When shall We Three Meet Again?“ von Stefan Kalmer (*1955) neben dem Hexengesang des Finnen Jaako Mäntyjärvi (*1963) „Double, Double, Toil and Trouble“. Aus dem englischsprachigen Raum erklangen die Shakespeare-Songs des Komponisten Matthew Harris (*1956) mit „Tell Me Where is Fancy Bred“ und „It Was a Lover and His Lass“ aus den Songbooks II und III, ebenso Paul Mealor (*1975) mit „Ophelia’s Lament“ aus dem Hamlet so wie auch Rogger Quilters (1877-1953) „Come Away Death“ (Solist: Simon Christians) und “Fear No More the Heat o’the Sun“ (Solist: Daniel Müller). Ralph Vaughan Williams (1872 – 1958) war mit seinen wunderbaren Chorsätzen „Full Fathom Five“ (Fünf Faden tief) und „Over Hill, Over Dale“ aus seinen drei Shakespeare Songs vertreten.
Als exquisites, ganz besonderes Event präsentierte die Schwäbische Chorakademie eine Vertonung des Shakespeare-Sonetts Nr. 29 „When in Disgrace“ von Linus Mödl (*1994). Der 24-Jährige Student der Musik ist Mitglied der Chorakademie und wurde natürlich von Chor und Zuhörern besonders gefeiert. Seine Komposition bietet dichten, modernen Chorklang und ausdrucksstarke Textinterpretation. In seinem ersten Teil erzählt das Sonett von einem Mann, der sein Schicksal bedauert, in Erinnerung an seine süße Liebe aber dann mit keinem König tauschen will. Der Chorsatz folgt dem Text nachempfindbar einfühlsam und endet hoffnungsfroh beschwingt. Tolle Leistung!
Mit dem Shakespeare-Song „If We Shadows Have Offended“ schloss ein Chorevent der Sonderklasse. Die Schwäbische Chorakademie hat mit diesem Konzert hohes Können bei schwierigsten Chorsätzen demonstriert; die Solisten, alle aus dem Chor, konnten mit ihren Beiträgen begeistern und unterstrichen nachdrücklich ihre starke sängerische Entwicklung während ihrer Zeit in der Chorakademie; Stefan Wolitz und sein Team haben wieder einmal hervorragende Arbeit geleistet! Schade, dass diese blaue Stunde so schnell Vergangenheit war!
(Reiner Pfaffendorf)